Humanistisches Anliegen
Wenn man zur aktuellen Flüchtlingssituation in Heidenau im Internet recherchiert, ist man enttäuscht. Man stößt nur auf Meldungen ab Mitte August 2015, die unseren Ort durch randalierende Rechtsradikale, zum Teil sogar weltweit, in Misskredit gebracht haben. Ein Teil der Verantwortlichen, die auch in Freital und Dresden ihr Unwesen getrieben haben, und derer man habhaft wurde, stehen vor Gericht. Mit Sicherheit werden sie verurteilt, aber vielleicht nicht in dem Maß, wie es notwendig wäre. Die Verteidiger wollen erreichen, dass es sich nicht um eine terroristische Vereinigung handelt, sondern um Einzeltäter, was die Strafen sehr mildert. So werden die Möglichkeiten des Rechtsstaates missbraucht, um Gesetzesbrecher mit Samthandschuhen anzufassen. Warten wir es ab. –
Viel zu wenig wird darüber berichtet, wie sich eine Vielzahl von Bürgern, auch in unserer Stadt, um Flüchtlinge und deren Integration kümmerten und immer noch Unterstützung leisten. Meine ersten Erinnerungen gehen bis 2014 zurück, als eine Gruppe von Heidenauern für Flüchtlinge und deren Kinder eine Weihnachtsfeier organisierten (Foto) Das kam bei den Ausländern sehr gut an. Die Kinder und Eltern freuten sich über Geschenke und Bekleidung, die von uns gesponsert wurden.
Bis zu 700 Flüchtlinge fanden dann ab Mitte August 2015 im ehemaligen Baumarkt eine vorübergehende Bleibe. Diese immense organisatorische und logistische Aufgabe wurde vom DRK geleistet. In Annahmestellen des Roten Kreuzes wurde Bekleidung angenommen, die dann entsprechend Bedarf verteilt wurde. Einige engagierte Bürger ergriffen die Initiative und vermittelten den Flüchtlingen erste Deutschkenntnisse. Den Kindern wurde Spielzeug geschenkt. Es entwickelte sich eine Willkommenskultur, die nach und nach ausgebaut wurde. Wie überall in den deutschen Kommunen wurde auch Heidenau von der Situation nahezu überrollt. Zu den Gründen dafür wurde schon mehrfach berichtet. Wenn man diese Probleme nicht im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika vor Ort klärt, dann kommen die Menschen eben nach Europa und auch nach Heidenau.
Nachdem die 700 Flüchtlinge aus dem Baumarkt im Land verteilt wurden, blieben aktuell ca. 300 in der Stadt, das sind 1,8 % der Heidenauer Bevölkerung, welche sich im Eingliederungsprozess befinden. Darum kümmern sich in erster Linie staatliche Stellen, wie das Landratsamt Pirna mit dem Referat für Soziale Integration. Die Stadt Heidenau hatte lange gezögert, direkte Verantwortung zu übernehmen. Man verwies aus das Landratsamt. Inzwischen gibt es beim Rechts- und Ordnungsamt der Stadtverwaltung Heidenau einen Koordinator für die kommunale Integration.
Darüber hinaus existiert ein großes gesellschaftliches Engagement. Im „Netzwerk Heidenau“ vereinigen sich diese Aktivitäten für Integration. Dazu gehören die Aktion Zivilcourage, Caritas, „Gemeinsam in Heidenau“ und das CJD. Sehr anzuerkennen ist die Arbeit von einigen Seniorinnen, welche das monatliche Begegnungskaffee für die Flüchtlinge im AMBOS organisieren. Das ist sowohl eine Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen, als auch speziell den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, zu spielen oder sich anderweitig zu beschäftigen.
Der Autor ist mit diesem Netzwerk verknüpft. Über diesen Weg werden Anliegen geäußert, bei denen in bestimmten Dingen um Unterstützung gebeten wird. In einigen Fällen habe ich auch schon helfen können und so einen kleinen Beitrag für die Integration geleistet. So ging es um Belange von Ausbildung und Arbeitsfindung und den Bewerbungen dazu. Weiterhin um die Übernahme einer Patenschaft für einen jungen Mann, der besondere gesundheitliche Probleme hat und Unterstützung beim Gang zu Behörden benötigt.
Auch halfen wir zum Beispiel beim Umzug einer Familie mit zwei Kindern. Besonders wichtig war, dass unter Zuhilfenahme eines Handwerksbetriebes aus Dohna möglichst zügig die Küche in Gang gesetzt werden konnte. Von Auftragsvergabe bis Fertigstellung passierte das innerhalb von vier Stunden. Die Familie war sehr dankbar und lud uns zu einem wohlschmeckenden nationalen Essen ein.
Beim Kontakt mit Flüchtlingen erfährt man auch persönliche Schicksale, die sie nach Deutschland geführt haben. Was die erwähnte Familie betraf, war der Grund der, dass Frau und Mann unterschiedlichen Klassenschichten angehörten. Die höhere Schicht hätte nie anerkannt, dass ein Angehöriger ihrer Familie ein Mitglied niederen Standes heiratet. Zwei sich liebende Menschen hätten keine Bindung eingehen können. Deshalb haben sie den Weg nach Deutschland gewählt, um sich und ihren Kindern eine Zukunft zu geben.
Im Weiteren geht es um zwei junge Afghanen. Einer hat dort neun Jahre die Schule besucht und danach einen kleinen Handel betrieben, von dem er gut leben konnte. Eines Tages kamen drei Zivilisten in seinen Laden und fragten nach seinem Vater. Er gab Auskunft und der Vater bekam Besuch. Die drei entpuppten sich als Taliban und zwangen den Vater, seinem Sohn klar zumachen, sein Geschäft aufzugeben und Kämpfer des Taliban zu werden. Dies bewog die Familie, das Land zu verlassen. Zusammen kam man nur bis Ungarn. Dort verlor man sich, so dass es nur der junge Mann bis Deutschland geschafft hat. Die Familie trat den Rückweg an. Aus verschiedenen Gründen befindet er sich in keiner Berufsausbildung, sondern geht inzwischen einer Arbeit nach.
Im zweiten Fall ist es so, dass die Eltern des jungen Mannes wegen Krankheit früh verstorben sind. Aus gesundheitlichen Gründen hat er nur zwei Jahre die Schule besucht. Er lebte erst bei Geschwistern, musste sich aber sehr früh um den eigenen Unterhalt kümmern. Er arbeitete im Polstermöbelgeschäft und als Schweißer. Die Familie nahm ihn nicht mehr an und er fühlte sich von den Taliban bedrängt. Ohne Eltern und unter diesen Umständen wählte er, wie viele andere in seinem Land, den Weg nach Europa.
Bei Gesprächen mit den Flüchtlingen ist es immer wichtig zu erwähnen, dass für eine gute Integration deutsche Sprachkenntnisse eine erste Voraussetzung sind. Angebote dafür gibt es. Nur so kann man bei Erfüllung bestimmter Bedingungen entweder eine Ausbildung beginnen oder einer Arbeit nachgehen. Man merkt aber mitunter, dass die Migranten möglichst schnell zu Geld kommen möchten und der schwierigere Weg einer Ausbildung dabei zu kurz kommt. Hierbei muss durch staatliche Stellen, gesellschaftliche Einrichtungen und auch durch das Ehrenamt weitere Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Peter Fischer