Wie nachhaltig ist der Industriepark Oberelbe?
Früher wurde Ackerland zur Lebensmittelproduktion unter den Pflug genommen, heute wird dagegen der Acker unter Beton versteckt, um Waren zu produzieren. Nachhaltigkeit bedeutet, dass nur so viel verbraucht, wie gleichzeitig regeneriert werden kann. Wenn der Boden vergraben wird, dann können auf ihm keine Lebensmittel und Futterpflanzen mehr wachsen. Während im Jahr 2000 bundesweit täglich 130 Hektar Acker- bzw. Naturraum überbaut wurden, ein Gelände so groß wie die Stadt Wien, sind es heute noch 60 ha/Tag. Das Ziel der Bundesregierung für das Jahr 2020 waren einstmals 30 ha/Tag. Es wird schwer, dies Ziel zu erreichen.
Von den Planern des Industrieparks Oberelbe sollen nun 140 ha fruchtbares Ackerland mit Ackerzahlen von 58 und „sehr hoher Erodierbarkeit“ unter Beton versenkt werden. Und dies alles wird begründet mit noch völlig unklaren Investoren für Betriebe der Automobil-, Flugzeug- und Elektronikbranche. Während anfangs über 3.000 Arbeitsplätzen schwadroniert wurde, wurden auch schon mal Ziffern von 3800 und ja auch von über 4500 Arbeitsplätzen genannt. Auf Nachfragen allerdings konnten weder Interessenten noch Hinweisgeber genannt werden, es wurde lediglich auf das Wirtschaftsministerium des Freistaates verwiesen.
Vom Verband der Selbständigen wurde vorsichtig darauf hingewiesen, dass heute schon viele Arbeitskräfte im Landkreis fehlen, beispielsweise im Maschinenbau oder dem Hotel- und Gastgewerbe. Und das bei einer Arbeitslosigkeit von 5,1 % im Landkreis.
Bei der Internet-Suche nach aktuellen Gewerbeflächen im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wird lediglich auf leere Flächen in erschlossenen Gewerbegebieten verwiesen. Allerdings fehlen noch einige Gebiete in der alten Aufzählung, wie z.B. unerschlossene oder private Flächen. Die meisten Flächen in Gewerbegebieten sind mit üppigen Parkplätzen versehen, wohl auch in der Hoffnung, später Erweiterungsbauten zu bauen. So muss festgestellt werden, dass das Land von den Kommunen seinerzeit zu billig abgegeben wurde, ein höherer Grundstückspreis hätte zu einer höheren Verdichtung geführt und zu höheren Steuereinnahmen der Kommunen. Die Aufbereitung alter Gewerbeflächen schafft zudem neue Arbeitsplätze.
Billige Quadratmeterpreise verursachen auch heute noch einen gravierenden Landfraß in Deutschland. Es wird auf höhere Erlöse bei einem späteren Verkauf der Flächen spekuliert.
Frühere wurden hochverdichtete Industrieanlangen geschaffen – die Grundstückspreise waren hoch und der Zins lag nicht bei Null. Keller und mehrstöckige Werkstätten waren die Regel, die Fertigungstiefe bei der Produktion lag um vieles höher, Transport- und Arbeitswege dafür aber minimiert.
Fraglich ist, wieso gegen Jahreswechsel diese Hektik bei der Gründung des Zweckverbandes Oberelbe notwendig wird. Bei der Diskussion im Stadtrat in Heidenau lagen nicht einmal eindeutige Formulierungen der Zweckverbandssatzung zu Grunde, diese wurden erst in letzter Minute unmittelbar vor der Diskussion des Tagesordnungspunktes ausgereicht. Und da auch nicht komplett sondern nur als Stückwerk! Die Pirnaer Abgeordneten bekamen zumindest noch Texte vorgelegt, bei denen die Änderungen rot markiert wurden. Hier fragt sich der verwunderte Abgeordnete woher die hektische Eile?
Die Abgeordneten der drei Verbandskommunen wurden eingeladen, das interkommunale Gewerbegebiet Günzburg-Leibheim zu besuchen. Vorteile solch eines Zusammenschlusses sollten dargestellt werden. Leider fand aber dort die Bildung des Zweckverbandes unter viel günstigeren Bedingungen statt. Ein demilitarisierter Flughafen mit Landebahnen, Gebäuden und Jagdfliegerbunkern konnte von Anfang an kostengünstig an Interessenten vermarktet werden. Mit den so eingenommenen Finanzen wurde dann das Gelände weiter aufbereitet und konnte so Stück für Stück saniert und verkauft werden.
Grundsätzlich anders ist die Bildung des Industrieparks Oberelbe geplant. Hier gehen die Kommunen mit faktisch 100 Mio € in Vorleistung, schieben also einen Schuldenberg in dieser Höhe vor sich her. Heidenau ist 2020 frei von Schulden. Diese großartige Leistung war nur unter erheblichen Anstrengungen möglich. Die Verwaltung hat konsequent immer umfangreicher werdende Förderprojekte angeschoben und konnte so von den bereitgestellten Mitteln profitieren.
Fraglich ist weiterhin die Auflistung der in Frage kommenden Grundstücke im Planungsgebiet. Für die Pirnaer Räte waren in der Liste die Quadratmetergrößen der einzelnen Grundstücke sicht- und damit kontrollierbar. Auf wundersame Weise verschwanden aber die Ziffern? Während für das Industriegebiet Oberelbe in der Machbarkeitsstudie 90 – 140 ha avisiert werden, so sind in der betreffenden Auflistung Grundstücke in einer Gesamtfläche von 290 ha ausgewiesen. Das ist die doppelte Menge der aufgelisteten. Wollte man die Räte der Gemeinden im Unklaren lassen? Sollte das Gewerbegebiet später nachdrücklich erweitert werden?
Gern hätte ich von den Befürwortern des Industrieparkes den Zeitpunkt des ROI (Return of Investment – Anlagenrentabilität) gewusst. Normalerweise geht man von einem Zeitraum von 5-6 Jahren aus.
Dr. Bernhard Borchers
Bündnis 90/Grüne